EKD-Ratsvorsitzender fordert "Ethik des Maßhaltens"

Das Eintreten für gerechtere wirtschaftliche und politische Verhältnisse "für alles Volk" gehört für Präses Nikolaus Schneider direkt zum Verkündigungsauftrag der Kirche. Sie müsse sich daher "dafür einsetzen, dass die Armen, Schwachen und Benachteiligten an Wohlstand, Fortschritt und Entwicklung der Gesellschaft teilhaben", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Donnerstagabend, 29. März,  in Lübeck. Schneider diskutierte auf Einladung der "Willy-Brandt-Stiftung" mit dem ehemaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Björn Engholm (SPD) unter dem Motto "Plädoyer gegen die soziale Spaltung in unserer Gesellschaft".

Angesichts mancher Manager-Jahresgehälter im zweistelligen Millionenbereich müsse es eine "Ethik des Maßhaltens" geben, sagte Schneider. Problematisch sei indes, dafür klare Grenzen zu ziehen. So seien hohe Einkommen bei Künstlern, Talkmastern und Fußballstars gesellschaftlich offenbar akzeptiert. Auch die Bibel würde den Reichtum keineswegs nur ablehnen oder missbilligen, sagte der EKD-Chef. Der Reichtum werde aber dann "scharf kritisiert, wenn er durch Ungerechtigkeit anderen gegenüber erworben wurde und den Blick auf die Situation der Mitmenschen verstellt".

Engholm bezeichnete es als eine "Gefahr für die demokratische Gesellschaft", wenn Spitzengehälter ins Uferlose steigen. "Selbst wenn dies legal sein sollte - moralisch ist es nicht", sagte er. Moralische Appelle allein hätten jedoch noch nie dazu geführt, krasse Ausreißer von Geiz und Gier einzuschränken. Es müsse politisch durchgesetzt werden, den Spitzensteuersatz "so nach oben zu schrauben", dass es sich ab einer gewissen Grenze einfach nicht mehr lohne, noch mehr verdienen zu wollen. Dies gelte "auch und erst recht" für Millionen-Deals an den Börsen dieser Welt.

Schneider erinnerte daran, solide Bankgeschäfte von "Zockerei" zu unterscheiden. Bestimmte Transaktionen sollten allerdings "rigoros verboten" werden, sagte er. Dazu gehörten sämtliche Börsen-Spekulationen mit Nahrungsmitteln. Generell gelte, dass eine Gesellschaft auf die Katastrophe zutreibe, deren einziges Wertesystem in der Verrechenbarkeit, Verwertbarkeit und Nutzbarmachung bestehe. Es gebe aber auch eine große Zahl von Mitbürgern, die ihren Reichtum "zum Wohle aller" einsetzten.

Entscheidend sei, arme und benachteiligte Menschen am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Für "politische Zögerlichkeit" in dieser Frage könne es in einem reichen Land wie der Bundesrepublik "keine Entschuldigung geben", sagte Schneider. Denn Wohlstand und gesellschaftliche Stabilität ließen sich "dauerhaft nur für alle gemeinsam sichern". Eine Gesellschaft könne nur dann demokratisch, solidarisch und nachhaltig gestaltet werden, wenn sich alle Menschen ihrer Teilhabe daran sicher sein könnten.

Die "Willy Brandt Stiftung" hatte zu der Diskussionsveranstaltung in die evangelisch-reformierte Kirche in Lübeck eingeladen.

29. März 2012
Quelle: Evangelischer Pressedienst, Hamburg (epd)

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