Kirchen benennen ihre Mitglieder der Aufarbeitungskommission
Die evangelischen Kirchen in Niedersachsen und Bremen haben jetzt zwei Vertreterinnen und einen Vertreter für die „Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission“ (URAK) zu sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie benannt. Von Beginn des kommenden Jahres an sollen die Theologin und psychologische Beraterin Sabine Hinrichs-Michalke aus Varel, die Sozial- und Organisationspädagogin Carolyn Hollweg aus Hannover und der Historiker Steffen Meyer aus Gifhorn die Aufgaben übernehmen, teilte die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen mit.
An der Kommission beteiligt sind die Landeskirchen Hannovers, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe, Bremen und die Reformierte Kirche sowie deren diakonische Werke. Die Kommission soll insgesamt neun Mitglieder haben, von denen eine Mehrheit weder bei der Kirche beschäftigt noch Mitglied in deren Gremien sein darf.
Zusätzlich sollen insgesamt drei unabhängige Fachleute aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz oder Verwaltung in der Kommision mitarbeiten, sie sollen von den beiden Landesregierungen in Hannover und Bremen benannt werden. Ebenfalls sollen Betroffene von Missbrauch in Kirche und Diakonie drei Personen stellen. Ihre Benennung erfolgt durch eine sich aktuell bildende Vertretung von betroffenen Personen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hatte im Dezember 2024 mit der Missbrauchsbeauftragten des Bundes, Kerstin Claus, die Gründung von bundesweit neun solcher Kommissionen vereinbart.
Der Rat der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und die Leitung der Bremischen Evangelischen Kirche hatten die drei Positionen öffentlich ausgeschrieben. Zusätzlich hätten sie Personen mit ausgewiesener wissenschaftlicher Expertise angesprochen. Ziel sei es gewesen, „ein möglichst breites Spektrum an Erfahrungen und wissenschaftlicher Expertisen“ abzubilden, die für die Arbeit der Kommission wichtig sein werden.
27. November 2024
Presseinformation der Konföderation evangelischer Kirchen/epd
zu von Kirche und Diakonie benannten Mitgliedern
Sabine Hinrichs-Michalke studierte Evangelische Theologie studiert und war fünf Jahre als Pastorin im Gemeindedienst tätig. Sie absolvierte eine Weiterbildung in Systemischer Sexualtherapie und in psychologischer Beratung und arbeitet in einer eigenen Praxis in Varel als Psychologische Beraterin und Sexualtherapeutin. Sie bietet Paarberatung, Sexualberatung, Lebensberatung sowie Fortbildung, Supervision und Fachberatung an. Die Bearbeitung von Auswirkungen Sexualisierter Gewalt auf gegenwärtige Beziehungen und Sexualitäten von betroffenen Personen ist ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit.
Dr. Carolyn Hollweg studierte Sozial- und Organisationspädagogik an der Universität Hildesheim studiert. Für ihre Dissertation über den Einsatz von Dolmetscher*innen in der Hilfeplanung wurde ihr 2022 der Deutsche Kinder- und Jugendhilfepreis in der Kategorie Theorie und Wissenschaft verliehen... Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Kinderschutz, Jugendhilfepolitik, Fachkräfte- und Organisationsentwicklung. Seit 2020 arbeitet sie als Referentin und seit 2024 als stellvertretende Geschäftsführerin beim Evangelischen Erziehungsverband in Hannover.
Dr. Steffen Meyer studierte Geschichte und Politikwissenschaft in Bamberg und Braunschweig und wurde 2015 an der Universität Braunschweig promoviert. Seit 2002 hat er für die Diakonie Kästorf Forschungsprojekte zur Unternehmensgeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus und zur Aufarbeitung im Bereich der Heimerziehung begleitet. Er arbeitet in der Dachstiftung Diakonie als Leiter der Historischen Kommunikation.
Weitere Information
Bildung und Zusammensetzung
Die Einrichtung von bundesweit neun Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen (URAK) war ein Ergebnis der gemeinsamen Erklärung, die die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die Diakonie Deutschland und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) im Dezember 2023 unterzeichnet haben. Sie sollen Fälle sexualisierter Gewalt unter Partizipation von Betroffenen aufarbeiten. Eine der Aufarbeitungskommissionen wird für die evangelischen Kirchen und die Diakonie in Niedersachsen und Bremen zuständig sein.
Die Kommission für Niedersachsen und Bremen wird aus neun Personen bestehen. Drei Kommissionsmitglieder werden aus dem Kreis von sexualisierter Gewalt betroffener Personen im Kontext der evangelischen Kirchen kommen. Ihre Benennung erfolgt durch eine sich aktuell bildende Vertretung von betroffenen Personen. Drei Mitglieder sollen Fachleute aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz oder öffentlicher Verwaltung sein. Das Bundesland Niedersachsen benennt davon zwei Mitglieder, das Bundesland Bremen ein Mitglied. Die Landeskirchen und die Landesverbände der Diakonie benennen ebenfalls drei Kommissionsmitglieder. Alle Kommissionsmitglieder sollen über persönliche und/oder fachliche Erfahrungen mit Prozessen der unabhängigen Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Institutionen verfügen.
Weniger als 50 Prozent der Mitglieder dürfen Beschäftigte der Evangelischen Kirche oder der Diakonie sein oder einem ihrer Gremien angehören. Beim zeitlichen Aufwand ist von ein bis zwei Sitzungen pro Monat mit entsprechender Vor- und Nachbereitung auszugehen. Die Kommissionsmitglieder erhalten eine Aufwandsentschädigung sowie Fahrtkosten. Aus den von den Landesregierungen benannten Mitgliedern aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz oder öffentlicher Verwaltung wählt die Kommission ihren Vorsitz.
Aufgaben
Die Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen sollen eine unabhängige, detaillierte und regionalbezogene institutionelle Aufarbeitung ermöglichen und dadurch das bestehende System der Aufarbeitung ergänzen. Zu den Aufgaben der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen gehören die quantitative Erhebung von Fällen sexualisierter Gewalt, um deren Ausmaß in den beteiligten Landeskirchen und den Gliederungen der diakonischen Landesverbände zu erkennen.
Die Kommissionen sollen Strukturen identifizieren, die sexualisierte Gewalt ermöglichen, begünstigen, deren Aufdeckung erschweren oder dies in der Vergangenheit getan haben. Sie untersuchen und evaluieren den administrativen und verfahrensrechtlichen Umgang mit betroffenen Personen und weiteren Beteiligten in den beteiligten Landeskirchen und diakonischen Landesverbänden und ermöglicht die individuelle Aufarbeitung betroffener Personen.
Die Kommissionen unterstützen, evaluieren und beraten die beteiligten Landeskirchen und diakonischen Landesverbände im Hinblick auf die institutionelle Aufarbeitungspraxis und die unabhängige Aufarbeitung konkreter Fälle sowie deren quantitative und qualitative Analyse.